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 Kater
Kater Offline

Pflänzchen


Beiträge: 49

17.04.2006 01:12
Neoprenblau Antworten

...und Griffin wollte sich nicht rühren.

Einen Arm bewegen, ein Bein bewegen, vielleicht, doch schneeflockengroß war sein Mut, und das heißt nun also - sehr klein. Manchmal muss man auch dumpfdrückende Momente ohne das sowieso lästig gewordene Kämpfen überstehen, was, zugegeben, dieser Situation nicht ganz angemessen war. Griffin erlag seinem Schicksal, und aktiv gesagt: Er erlag es. Den Schnee, den garstig-kalten, grauen Schnee, der ihn just in diesem Moment würde verkühlen können, den wollte er sehen, Seth Griffin, der hier lag, weil ihn eben das Leben getroffen hatte.

Als Griffin, der Wanderer, sich heute morgen aus seinem Iglu wühlte, blinkte schon kein Morgenstern mehr. Nichts als ein grauer, rasch und dennoch zu spät geöffneter Tagesanbruch blieb ihm vergönnt, der schlich sich im ersten Moment unbemerkt in Griffins Innerstes und knebelte und fesselte seine tägliche Mentalverfassung. Dabei war der Morgen nicht unangenehm, vielmehr unkompliziert - so lähmend alltäglich. Der Schnee, der des Wanderers Schuhe mit jedem neuen Schritt mehr und mehr verschlang, war an diesem Morgen weder pappig noch watteweich, so wie die polare Luft die Lungen und Lippen nicht schnitt noch umschmeichelte. Und Griffin nahm den Tag hin.

Die Scholle hatte ihn wenig später ein Stück vom Festland getrieben, er hatte derweil geistesabwesend an einer Nuss gekaut, die er im winkligsten Zipfel seines Reisetuches ertastet hatte, es konnte eine schwedische Nuss sein, oder eine norwegische (Griffin war ein
Wanderer), wer wusste das schon, und es spielte am Ende auch keine Rolle. Gerne wäre Griffin dem Zug der Scholle eine Weile gefolgt, ins
offene Meer und weiter, doch diese verkleinerte sich zusehends und hurtiger, als ihm lieb war. Und als er nur mehr ein Eisstück unter seinen Füßen wähnte, begann sich der Wanderer zu fürchten. Das Festland war weit. Der Tag hatte belanglos begonnen. Griffin,
Wanderer, hatte bis jetzt keine melodramatische Ader besessen, nichts lag ihm ferner als Gefühlsregungen der extensiveren Art, auch, wenn ihm während seiner nun schon lebenslangen Reise kaum ein tragisches Schicksal unbekannt war. Dennoch begann er, seine Gedanken dunkel zu färben, immerhin reichte ihm das Schicksal den schwarzen Farbtopf ganz wie von selbst, und seit jeher war er daran gewöhnt, zu greifen und zu fassen, was sich ihm bot. Nun, er könnte, so dachte Seth Griffin, warten. Mit dem Warten war er in 28 Jahren schon so weit gekommen, und dabei war das Warten nur von psychischer Natur, denn ein Wanderer, wie Griffin es war, so ein Wanderer wartet nicht mit den Beinen. Wenn er länger darüber nachdachte, glaubte Griffin sogar, dass seine ruhige Seele in all den Jahren noch nie etwas anderes getan hatte, als, nunja, zu warten.
Wer weiß, was das war.
Wer weiß schon, warum der Tag begann, so wie er eben begann.
Und wer weiß, ob Griffin nicht phantasierte.
Aber am winterhellen Himmel, und es war doch am Tag, schien der hohe Vollmond, wie er es an seltsam beleuchteten Tagen tut. Und Griffin empfand es mit einem Mal als sehr anmaßend, dass er schon überall war, nur nicht dort, auf diesem Mond, und fast schon ärgerte
er sich darüber.
Griffin ärgerte sich!
Und Griffin stutzte. (Einige Augenblicke später.)
Seine innere Ruhe war demoliert, zersägt, samtig zerklopft von einem Mondgedanken, und Griffin fühlte sich wach wie nie zuvor. Der Mond war schon immer nur der Mond gewesen, und ob Griffin, der Wanderer war, nun dort oder hier weilte, hatte nie zuvor eine Rolle gespielt, denn am Ende kam alles so, wie es kam.
Griffin fühlte.
Keinen kalten Schnee. Keinen prasselnden Tropenregen und beißenden Feuersand. Griffins innere kleine Phiole, bis eben in seiner oberen
Anatomie eingeschlossen, hatte einen Riss bekommen, schwarzscheinende Haaresbreite, und daraus entwich nun kaum ahnbar, wovon der Wanderer nur als "herzliches Gefühl" gehört hatte. Und herzlich meint selten nur freundlich.

Der Mond war Sehnsucht, von der Griffin nichts wusste, man kann sagen, dass Griffin zum ersten Mal etwas fühlte, das er weder zu schmecken, noch zu tasten, noch zu sehen vermochte. Hätte sich der Mond an diesem Tag hinter einer Wolke versteckt, Griffin wäre ertrunken, weil es sein Schicksal war. Das Gefühl aber, das Griffin nicht kannte, geboren aus Mondblicken, blies ihm Kraft in die Arme, Kraft und Bewegung, und seine Beine waren leicht, flink und stark, und als die Scholle (was davon übrig war) mit einem leisen Schluck im Nordpolarmeer verschwand, floss der Wanderer Griffin zum Ufer zurück, schwamm durchs Eis und stieß dann ans Festland und lag
schließlich benommen und trunken im Schnee, als von Nahem der Urknall der Explosion die dunkelblaue Stille, denn Erdrotation hatte über Stunden nun den Tag zur Nacht verwandelt, den im Schnee liegenden Griffin zur Seite schob.


Quittengelee - quäl dich nicht, spiel mit mir

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